Erebia medusa

 

Gesamtverbreitung: Sibirisch-europäisch. Von Zentralfrankreich über große Teile Mittel- und Osteuropas, nördliches Kleinasien, Transkaukasus, Sibirien bis Nordchina.

Regionalverbreitung: E. medusa war und ist auch aktuell noch die am weitesten verbreitete Erebia-Art in Baden-Württemberg. Alle Naturräume werden besiedelt, wobei es aber regional große Unterschiede in der Häufigkeit des Auftretens der Art gibt (Tab. 1). Hauptverbreitungsgebiete sind eindeutig die flächendeckend besiedelte Schwäbische Alb und der Südschwarzwald mit Baaralb, weitere kleinere zusammenhängende Metapopulationen existieren in den Oberen Gäuen und in Oberschwaben. In der Oberrheinebene, im Nordschwarzwald, im Albvorland, im Kraichgau und im Tauberland halten sich momentan noch wenige Populationen, die als Relikte ehemaliger größerer Vorkommen in diesen Regionen gelten können. In Baden-Württemberg wurden ehemals nahezu 50 % aller TK-Blätter von E. medusa genutzt. Bis zum Jahre 1930 waren in Baden-Württemberg noch fast alle jemals von E. medusa besetzten TK-Blätter besiedelt (94 %). Erste leichte Rückgänge zeigten sich dann ab den 1960er-Jahren im Albvorland (7221, 7222), im Kraichgau und Stromberggebiet (6918, 7019) und in der nördlichen Oberrheinebene (6416) ab. Ab den 1980er-Jahren verschlechterte sich die Situation in den wärmeren, eher atlantisch geprägten Naturräumen sehr, insgesamt nahm die Präsenz in TK-Blättern um 22 % ab. Hiervon betroffen war vor allem das südliche Tauberland bei Schwäbisch Hall (6824, 6923, 6925), das Kraichgau und Stromberggebiet (6821, 6822, 7018, 7117, 7118) sowie die südliche Oberrheinebene (7811, 7911, 8211, 8311). Ab den 1990er-Jahren, die ebenfalls eine Abnahme von 22 % verzeichnen mussten, fehlen Nachweise aus dem südlichen Tauberland (7024, 7025) komplett und auch in Oberschwaben (7924, 8022, 8122, 8222, 8223, 8224, 8126) wurden die ersten Rückgänge deutlich. Ab dem Jahre 2000 existieren im Tauberland Nachweise aus nur noch einem TK-Blatt (6323), während das letzte Messtischblatt der Oberrheinebene (8111) unbestätigt ist. Im Kraichgau waren bis 2003 noch größere Populationen in der Ersinger Springenhalde (7017) nachgewiesen, jedoch blieb auch dieser Fundort bei zweimaliger Kontrolle 2009 ohne Nachweis. Auch das Albvorland profitiert in seiner aktuellen Nachweisdichte nur noch von randlich einstrahlenden Vorkommen der Metapopulationen der Oberen Gäue, so ist das etwas weiter östlich gelegene TK-Blatt 7420 (Schönbuch) schon verweist. Ähnlich kritisch muss die Situation in Oberschwaben gesehen werden, wo nur noch wenige TK-Blätter (7823, 7923, 7922, 8021, 8125, 8225) ab dem Jahre 2000 bestätigt sind. Realistisch betrachtet dürfte die Rasterfrequenz von E. medusa aktuell sicherlich nicht über 25 % liegen, was bedeuten würde, dass die Populationen in Baden-Württemberg ab den 1930er-Jahren um etwa die Hälfte abgenommen haben. Im Gegensatz zu E. aethiops und E. ligea hat der Rückgang von E. medusa etwas später eingesetzt (ab den 1980er-Jahren), Tempo und Ausmaß dieses Rückgangs sind jedoch durchaus mit dem Verschwinden der beiden anderen Erebia-Arten vergleichbar.



Tab. 1: Präsenz von Erebia medusa in Baden-Württemberg, aufgeteilt nach Naturräumen und Jahrzehnten, total und prozentual.

Raster

(Anzahl der TK-Blätter)

alle Nachweise

alle Nachweise [%]

ab 1930

ab 1930 [%]

ab 1960

ab 1960 [%]

ab 1980

ab 1980 [%]

ab 1990

ab 1990 [%]

ab 2000

ab 2000 [%]

BW (299)

149

49,83

140

46,82

129

43,14

101

33,78

79

26,42

57

19,06

Tauberland (43)

12

27,91

9

20,93

9

20,93

6

13,95

2

4,65

1

2,33

Albvorland (12)

10

83,33

10

83,33

8

66,67

6

50,00

5

41,67

4

33,33

Gäuplatten (6)

5

83,33

5

83,33

5

83,33

5

83,33

2

33,33

2

33,33

Oberrheinebene (39)

12

30,77

8

20,51

5

12,82

1

2,56

1

2,56

0

0,00

Kraichgau/

Stromberggebiet (40)

9

22,50

9

22,50

7

17,50

1

2,50

1

2,50

1

2,50

Nordschwarzwald (18)

3

16,67

3

16,67

3

16,67

2

11,11

2

11,11

1

5,56

Südschwarzwald (38)

25

65,79

24

63,16

23

60,53

21

55,26

16

42,11

10

26,32

Baaralb (12)

5

41,67

5

41,67

5

41,67

3

25,00

3

25,00

2

16,67

Schwäbische Alb (44)

42

95,45

42

95,45

42

95,45

39

88,64

37

84,09

30

68,18

Oberschwaben (47)

26

55,32

25

53,19

22

46,81

17

36,17

10

21,28

6

12,77


Historische Verbreitung von E. medusa in Baden-Württemberg. E. medusa war in Baden-Württemberg ehemals über weite Landesteile verbreitet. Echte Verbreitungslücken bestanden im nördlichen Schwarzwald, in Bereichen der nördlichen Oberrheinebene und im Stromberg/Heuchelberggebiet. Verbreitungsschwerpunkte waren das südliche Tauberland, das Kraichgau, das Albvorland, die Schwäbische Alb mit Baaralb, der Südschwarzwald und Oberschwaben (inkl. Bodenseegebiet). Ausgefüllte Kreise: Nachweise nach 1980, Ringe: Nachweise bis 1980.

 

Aktuelle Verbreitung von E. medusa im Jahre 2000. Im nördlichen Tauberland bestehen noch Restvorkommen. Der letzte Nachweis aus dem Kraichgau muss aktuell auch als erloschen gelten. Metapopulationen bestehen noch in den Oberen Gäulandschaften, die Richtung Osten in die Randbereiche des Schönbuchs einstrahlen. Die Schwäbische Alb wird flächendeckend über die Baaralb bis in den Südschwarzwald besiedelt. In Oberschwaben bestehen reliktäre Vorkommen an Bahndämmen und Böschungen.

 

 

Habitate: E. medusa ist als mesophile Offenlandart zu bezeichnen, die vor allem mageres Grünland besiedelt. Hierunter fallen extensiv bewirtschaftete Trocken- und Feuchtwiesen (Salbei-Glatthaferwiesen, Streuwiesen, Bergwiesen), Halbtrockenrasen, Böschungen und Dämme, Bracheflächen und Waldlichtungen. Wichtig sind vor allem geringe Eutrophierung und Streureichtum. In Baden-Württemberg werden Festuca-Arten (Schwingel) als Wirtspflanzen genutzt, an Xerotherm-Standorten spielt evtl. auch Bromus erectus eine Rolle.

 

Magere, mit einzelnen Büschen durchsetzte Wiesenbrache in den Oberen Gäuen. Hier ist E. medusa noch zahlreich anzutreffen.

 

Mageres, sonnenexponiertes Grünland auf der Schwäbischen Alb. Direkt in Straßennähe finden sich hier noch höchstens extensiv genutzte, streureiche Wiesenflächen, die von E. medusa besiedelt werden. E. medusa gehört in solchen Habitaten auf der Alb zu den häufigsten Schmetterlingsarten. Ähnliche Wiesenflächen sind in Oberschwaben und im Albvorland fast immer intensiv landwirtschaftlich genutzt und entsprechend eutrophiert.

 

Relativ unspektakulär sieht auch diese Verkehrsnebenfläche am Rande des Schönbuchs aus. Hier siedelt eines der letzten E. medusa-Vorkommen in diesem Naturraum. Das magere Habitat zeichnet sich durch extremen Streureichtum aus, der wahrscheinlich durch einmal jährliches Mulchen der Fläche zustande kommt. Die Population dieses Habitats könnte noch Kontakt mit den Vorkommen der östlichen Ausläufer der Oberen Gäue haben. Doch wie lange könnte eine solche Population noch bestehen, wäre sie komplett isoliert?

 

Ehemalige, aktuell brachgefallene Streuobstwiese am Südhang bei Holzgerlingen (Albvorland). Hier konnte ich im Mai 2010 ganze zwei Falter nachweisen. Auf der Alb würden in einem derartigen Habitat sicherlich mehrere Dutzend Falter fliegen.

 

Diese ehemalige magere und streureiche Deponie bei Sindelfingen wird von E. medusa aktuell noch genutzt, in einigen Jahren dürfte allerdings auch dieser Lebensraum aufgrund von Verbuschung nicht mehr besiedelbar sein.

 

Typisches von E. medusa genutztes Habitat in den Oberen Gäuen: Extensiv schafbeweidete, leicht verbuschte, nicht zu kurzrasige und streureiche Magerrasen wie hier bei Heimsheim.

 

Magerer, schütter bewachsener Hang direkt am Wegesrand auf der Schwäbischen Alb. Auch hier fliegt E. medusa zahlreich. Auf der Schwäbischen Alb sind solche Strukturen regelmäßig anzutreffen, in anderen Naturräumen (Albvorland, Oberschwaben) erscheinen sie nur ganz isoliert.

 

Rückgangsursachen: Aufgrund der Tatsache, dass in den Metapopulationszentren auf der Schwäbischen Alb sowohl die klimatischen Gegebenheiten wie auch Habitate deutlich besser sind als etwa im Albvorland oder in Oberschwaben, lässt sich nur sehr schwer eine eindeutige Aussage treffen. Die Ergründung der Rückgangsursachen soll der Forschungsinhalt der nächsten beiden Jahre sein.

Tendenzen:

Oberrheinebene/Kraichgau: Wenige großflächige, isolierte Habitate bestehen in diesen Naturräumen. Die Eignung kann als sehr gut eingeschätzt werden. Trotz (nun vorhandener) Isolation dürften auch andere Parameter als Lebensraumverluste eine Rolle gespielt haben.

Obere Gäue: Metapopulationen in einem Netz verbrachter und schafbeweideter, teilweise großflächiger Magerrasen. Klimatische Eignung von Westen nach Osten abnehmend, doch immernoch besser als im Albvorland. Das momentan noch gute Habitatangebot könnte die eher mäßige Klimaeignung überlagern.

Albvorland: In den meisten Bereichen nur kleinflächige, isolierte Habitate (Schönbuch). Teilweise jedoch auch ein Netz aus geeigneten Habitaten in Form von Böschungen, ehemaligen Deponien und verbrachten Streuobsthängen bestehend. Aussterben im Waldbereich wohl primär aufgrund von Lebensraumverlusten (magere Waldwiesen), im Offenland ist ein klimatischer Einfluss möglich.

Schwäbische Alb: Verbreitungsschwerpunkt, Metapopulationen durch eine Vielfalt von mageren Offenlandbiotopen und optimale klimatische Eignung.

Oberschwaben: Verinselte, kleinräumige Habitate entlang von Bahn- und Straßenböschungen. Klimatische Bedingungen besser als nördlich der Schwäbischen Alb. Rückgang primär auf Lebensraumverlust zurück zu führen. Jedoch auch starke Rückgänge in Naturschutzgebieten, z.B. in extensiv gepflegten Streuwiesen u. ä..

 

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