Erebia aethiops

Gesamtverbreitung: Sibirisch-europäisches Verbreitungsgebiet. Vom nordwestlichen Großbritannien über Mittel- und Osteuropa sowie Sibirien bis zum Altai. Im Mittelmeergebiet und in Nordeuropa fehlend.

Regionalverbreitung: E. aethiops war Ende des 19. Jahrhunderts über alle Naturräume in mindestens 111 TK-Blättern (37 % aller baden-württembergischen Messtischblätter) verbreitet (Tab. 1). Bereits ab den 1930er-Jahren konnte E. aethiops jedoch nicht mehr an allen Fundorten nachgewiesen werden, so etwa in der nördlichen Oberrheinebene bei Mannheim (TK-Blatt 6417), in den Wäldern bei Karlsruhe (6916, 7016) und im Albvorland (7121, 7419, 7420: Spitzberg). Ab den 1960er-Jahren hatten sich die Bestände nur leicht verringert (Abnahme von 9 % bestätigter TK-Blätter). Vor allem im Kraichgau und Stromberggebiet waren jedoch deutliche Bestandseinbußen zu verzeichnen, so blieben die TK-Blätter 6917, 7018 und 7019 ab diesem Zeitpunkt unbesetzt. Ebenfalls leichte Rückgänge waren auch schon in Oberschwaben zu beobachten (7923, 8120, 8322). Ab den 1980er-Jahren gingen die Bestände um 16 % auf nur noch ca. ein Viertel besetzter TK-Blätter zurück. Die Populationen im Kraichgau starben komplett aus (7017, 7117) und auch im Tauberland bei Schwäbisch Hall waren beträchtliche Rückgänge zu verzeichnen (6824, 6924, 6925, 7025). Bestandseinbußen erlitten außerdem die Populationen in der Oberrheinebene (7812, 7911) und am Rande des Südschwarzwaldes (8113, 8313). Den größten Rückgang erlebten die E. aethiops-Bestände jedoch ab den 1990er-Jahren, die Rasterfrequenzen gingen um 23 % zurück. Zwar sind ab diesem Zeitpunkt auch Kartierlücken durch längere Zeit nicht mehr aktualisierte Funddaten zu erwarten, jedoch scheinen die Rückgänge durchaus der Realität zu entsprechen. Bestandseinbußen gab es im nördlichen Tauberland (6322, 6524, 6623), in der Oberrheinebene (7811, 7912), am Rande des Südschwarzwaldes (7814, 7913, 7914, 8115, 8116) und in Oberschwaben (8220, 8321, 8323, 8324, 8123). Ab dem Jahr 2000 sind weiterhin deutlich rückläufige Nachweiszahlen dokumentiert (31 % weniger als in den 1990er-Jahren), hiervon sind aber mit Sicherheit einige Nachweisdefiziten neuerer Zeit geschuldet. Trotzdem muss z.B. das Verschwinden von E. aethiops im TK-Blatt 7220 (Hölzertal, Mahdenbachtal, Berstlachtal) aktuell bestätigt werden. Auch der letzte Nachweis im südlichen Tauberland bei Schwäbisch Hall (6926) ist nach diesen Daten verweist. In der Oberrheinebene wäre außerdem nur noch ein TK-Blatt mit Fundorten bestätigt (8111), in Oberschwaben wären es nur noch zwei (8124, 7926). Wäre E. aethiops ab dem Jahre 2000 komplett erfasst, hätte die Präsenz der Art innerhalb von ca. 150 Jahren von 111 besetzten TK-Blätten auf 40 um 64 % abgenommen. Die tatsächliche Bestandssituation sieht wahrscheinlich nur wenig besser aus. Konstant hielten sich die Populationen auf den Gäuplatten am Schwarzwaldrand (ehemals und aktuell (Stand: 1990) zu 50 % besetzt), auf der Schwäbischen Alb (ehemals 82 %, aktuell 74 %) und auf der Baaralb (ehemals 42 %, aktuell 25 %).


Tab. 1: Präsenz von Erebia aethiops in Baden-Württemberg, aufgeteilt nach Naturräumen und Jahrzehnten, total und prozentual.

Region (Anzahl TK-Blätter)

alle Nachweise

alle Nachweise [%]

ab 1930

ab 1930 [%]

ab 1960

ab 1960 [%]

ab 1980

ab 1980 [%]

ab 1990

ab 1990 [%]

ab 2000

ab 2000 [%]

BW (299)

111

37,12

97

32,44

89

29,77

75

25,08

58

19,40

40

13,38

Tauberland (43)

13

30,23

11

25,58

11

25,58

6

13,95

3

6,98

2

4,65

Albvorland (12)

5

41,67

2

16,67

2

16,67

2

16,67

2

16,67

1

8,33

Gäuplatten (6)

3

50,00

3

50,00

3

50,00

3

50,00

3

50,00

3

50,00

Oberrheinebene (39)

8

20,51

6

15,38

6

15,38

4

10,26

2

5,13

1

2,56

Kraichgau/Stromberggebiet (40)

8

20,00

6

15,00

2

5,00

0

0,00

0

0,00

0

0,00

Nordschwarzwald(rand) (18)

2

11,11

2

11,11

2

11,11

1

5,56

1

5,56

1

5,56

Südschwarzwald(rand) (38)

13

34,21

13

34,21

13

34,21

11

28,95

6

15,79

5

13,16

Baaralb (12)

5

41,67

3

25,00

3

25,00

3

25,00

3

25,00

1

8,33

Schwäbische Alb (44)

36

81,82

34

77,27

33

75,00

33

75,00

31

70,45

24

54,55

Oberschwaben (47)

18

38,30

17

36,17

14

29,79

12

25,53

7

14,89

2

4,36

 

Historische Verbreitung von E. aethiops in Baden-Württemberg. Es existierten Population im Tauberland, bei Karlsruhe und im Kraichgau, in den westlichen Gäulandschaften, im Albvorland, auf der Schwäbischen Alb und Baaralb, in Oberschwaben (inkl. Bodenseegebiet) und in der südlichen Oberrheinebene. Ausgefüllte Kreise: Nachweise nach 1980, Ringe: Nachweise bis 1980.

 

Aktuelle Verbreitung von E. aethiops im Jahre 2000. Restvorkommen existieren noch im nördlichen Tauberland, im Schönbuch und in den westlichen Oberen Gäuen. Metapopulationen bildet E. aethiops auf der Schwäbischen Alb und Baaralb aus. Die Vorkommen in der südlichen Oberrheinebene (Trockenaue bei Grißheim) sind individuenreich und gesichert. In Oberschwaben ist E. aethiops evtl. schon komplett verschwunden.

 

Habitate: E. aethiops kann als mesophile Waldart gelten, die primär lichte Waldstrukturen und Übergangsbereiche zum Wald besiedelt. Hierzu zählen in heutiger Zeit verbrachende und verbuschende Magerrasen an Waldrändern, Vorwaldstadien, Lichtwaldbereiche, lichte Kiefernwälder, Bahnböschungen in Wäldern, Sukzessionsfluren, Schneisen, Hochstromleitungen im Wald, brach gefallene Streuwiesen sowie lichte Moor- und Bruchwälder. Wichtig sind hierbei regelmäßig besonnt, streureiche und höherwüchsige Wirtspflanzenvorkommen. In Baden-Württemberg dürfte neben Brachypodium pinnatum zumindest auch Molinia caerulea als Wirtspflanze genutzt werden, weitere Gräser scheinen aufgrund von Beobachtungen aus anderen Ländern (Schweiz, Groß-Britannien) wahrscheinlich.

 

Mageres Sukzessionsstadium auf dem Böblinger Standortübungsplatz. Hier befindet das letzte Vorkommen von E. aethiops im Schönbuch. Das besiedelte Habitat ist durch seine Größe, seine Lichtheit, die Ausprägung einer deckenden Streu- und Gräserschicht sowie durch seine sehr geringe Eutrophierung mit keiner weiteren Fläche im Schönbuch zu vergleichen.

 

Reich strukturierter, magerer Waldrand mit B. pinnatum-Fazies auf der Schwäbischen Alb. Hier kann E. aethiops zahlreich angetroffen werden. Derartige Waldränder existieren im Schönbuch und in Oberschwaben kaum noch.

 

Hochstromleitung im Wald mit Fichtenanpflanzungen auf der Schwäbischen Alb. Dieses relativ magere und gut besonnte Habitat wird sehr zahlreich von E. aethiops besiedelt. Im Schönbuch bleiben strukturell ähnliche Flächen unbesetzt.

 

Bahnböschung am lichten Kiefernwald in den westlichen Oberen Gäuen. In diesen mageren, sonnenexponierten Habitaten ist E. aethiops mit zahlreichen weiteren gefährdeten Arten wie Zygaena carniolica, Zygaena purpuralis oder Psophus stridulus vergesellschaftet.

 

Die lichten Kiefernwälder bei Gültlingen in den Oberen Gäulandschaften stellen aktuell die östlichsten Populationen von E. aethiops in diesem Naturraum dar. Auch weiter östlich im wärmeren und atlantisch geprägten Heckengäu existieren zahlreiche ähnlich strukturierte Kiefernwälder auf ehemaligen Magerrasen. Diese bleiben jedoch alle unbesiedelt.

 

Im NSG Weißenbronnen im Altdorfer Wald in Oberschwaben konnten die letzten oberschwäbischen E. aethiops-Falter beobachtet werden. Ähnlich wie das Habitat im Schönbuch unterscheidet sich auch dieser Lebensraum grundsätzlich von anderen potentiell verfügbaren Habitaten in Oberschwaben. Lichte sonnenexponierte Kiefernbestände grenzen magere wechselfeuchte Halbtrockenrasen und Streuwiesen mit Molinia- und Brachypodium pinnatum-Bewuchs ab.

 

Warum eigentlich nicht? Lichter Moorwald im NSG Uttenweiler Ried bei Biberach in Oberschwaben. Auch hier wachsen Pfeifengras und Fiederzwenke. In ähnlich strukturieren Moorwäldern am Federsee oder im Pfrunger Ried kam E. aethiops ehemals vor. Aus heutiger Zeit liegen keinerlei Nachweise aus derartigen Lebensräumen mehr vor.

 

Hölzersee bei Magstadt im nördlichen Schönbuch/Glemswald. Heute sieht das Habitat wieder für Erebia-Arten geeignet aus. Offene Bereiche, eingerahmt von Wald, bestehend aus extensiv bewirtschafteten Pfeifengraswiesen. Leider wurden diese während der letzten Jahrzehnte als Liegeplätze für Nacktbadende missbraucht, war also keine Habitatkontinuität gegeben?

 

Rückgangsursachen: Aufgrund der Tatsache, dass in den Metapopulationszentren auf der Schwäbischen Alb sowohl die klimatischen Gegebenheiten wie auch Habitate deutlich besser sind als etwa im Albvorland oder in Oberschwaben, lässt sich nur sehr schwer eine eindeutige Aussage treffen. Die Ergründung der Rückgangsursachen soll der Forschungsinhalt der nächsten beiden Jahre sein.

Tendenzen:

Albvorland (Schönbuch): Habitate wohl zu klein und zu isoliert, teilweise auch erst (zu spät) durch die Stürme Wiebke und Lothar entstanden. Viele Habitate sind beschattet, eutrophiert und zu sehr verbuscht. B. pinnatum fehlt häufig, Molinia caerulea ist in Teilbereichen des Schönbuchs verbreitet. Rückgang zumindest stark von Lebensraumqualität abhängig.

Obere Gäue (Schwarzwaldrand): Habitate großflächig, aber isoliert, da nur verbuschte Magerrasen und Wacholderheiden genutzt werden. Es bestehen keine "echten" Waldpopulationen. B. pinnatum weit verbreitet. Klimatische Eignung durch Regenschatten des Schwarzwaldes und Kontinentalität gut, kein Rückgang erkennbar. Populations- und Individuenzahlen aber nicht mit denjenigen der Schwäbischen Alb vergleichbar. Keine Vorkommen weiter östlich, hier potentielle Habitate vorhanden, jedoch Klima atlantisch geprägter und wärmer.

Schwäbische Alb: Zahlreiche besiedelbare, miteinander verknüpfte Habitate. Wenig Eutrophierung, gute B. pinnatum-Bestände. Ideale klimatische Eignung durch niedrige Wintertemperaturen (konstante Schneedecke). Absoluter Verbreitungsschwerpunkt, kein Rückgang erkennbar.

Oberschwaben: Habitate kleinräumig und isoliert, Wälder häufig sehr dunkel und stark eutrophiert. Geeignet erscheinende Habitate noch in den Moor- und Sumpfwäldern der Naturschutzgebiete. Hier M. caerulea sehr häufig. Rückgang im ehemaligen Verbreitungszentrum (Altdorfer Wald) mit Sicherheit stark von Habitatqualität abhängig.

 

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